Deaf History - Einführung:
Die Forscher der Deaf History in Deutschland und anderen Ländern verfolgen das Ziel, Informationen über die Lebensgeschichten einzelner tauber Menschen und das Leben in den Gehörlosengemeinschaften von früher und heute zu sammeln, auszuwerten und bekannt zu machen. Mit der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen der Deaf History ist die Möglichkeit gegeben, die Lebenssituation und die Lebensgeschichten von tauben Menschen in Vergangenheit und Gegenwart im Geschichtsbewusstsein der tauben und hörenden Menschen präsent zu machen. Deaf History macht klar, wie Gehörlosengemeinschaften entstanden sind und welche tauben Persönlichkeiten sie hervorgebracht haben.
Kenntnis über die Gehörlosengeschichte bietet tauben Menschen Anknüpfungspunkte, sich selbst in der Gegenwart besser zu verstehen: Denn nur mit der Herstellung einer Verbindung zu tauben Menschen von früher kann die Phase der Geschichtslosigkeit tauber Menschen überwunden werden. Diese „Geschichtslosigkeit“ ist die Folge von Ausgrenzung und fehlender Wahrnehmung tauber Menschen durch eine nicht gebärdensprachige Gesellschaft.
Solch eine Entwicklung hat in den USA bereits begonnen, nachdem sich dort die Deaf History seit den 70er Jahren als Gegensatz zur oralistischen Geschichtsschreibung entwickeln konnte. In der Geschichtsschreibung des Oralismus dominierte die Perspektive der ausschließlich hörenden Gehörlosenpädagogen, die Perspektive der tauben Menschen wurde dagegen vernachlässigt. Der hundertjährige Oralismus hat in Deutschland von 1880 bis 1980 gedauert, und führte zur Abqualifizierung der Gebärdensprache und der Gehörlosenkultur. Ohne die Berücksichtigung der Perspektive der tauben Menschen würde die Exklusion und die Ausgrenzung der tauben Menschen weiter betrieben. Taube Menschen sollen nicht nur als „Objekte“, sondern als „Subjekte“ verstanden werden. Es wäre ein Zeichen von Inklusion, wenn verschiedene Perspektiven in der Geschichtsschreibung behandelt werden.
Wissen über Deaf History ist auch Voraussetzung für weiteres Vorankommen als eine Behindertengruppe und sprachliche Minderheit auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung und Anerkennung innerhalb der Gesellschaft, mit dem Ziel einer gleichberechtigten Partnerschaft zwischen tauben und hörenden Menschen. Damit stellt es auch ein Beitrag zu Inklusion dar im Sinne der Behindertenrechtskonvention der UN (BRK), insbesondere für die Förderung der Gehörlosenkultur als ein Menschenrecht laut Artikel 30 der BRK.
Im Zuge dieser Entwicklung der letzten Jahrzehnte auf zivilgesellschaftlicher sowie wissenschaftlicher Ebene sind internationale und nationale Geschichtsvereine für die Förderung der Deaf History entstanden. 1991 ist ein internationaler Geschichtsverein „Deaf History International“ gegründet worden, er hält seitdem alle drei Jahre einen Kongress ab (www.deafhistoryinternational.com). In Deutschland besteht seit 1996 ein Geschichtsverein, der sich für die deutsche Gehörlosengeschichte einsetzt. 2001 wurde dieser Verein mit dem 1993 gegründeten Kulturverein vereinigt. Heute heißt der Verein "Bundesvereinigung für Kultur und Geschichte Gehörloser e.V.“ (www.kugg.de) und umfasst verschiedene Arbeitsbereiche, von denen Deaf History einen darstellt. In Deutschland ist Deaf History universitär lediglich Bestandteil der Lehre im Studiengang Gebärdensprache an der Universität Hamburg sowie in den Studiengängen Deaf Studies und Gebärdensprachpädagogik an der Humboldt-Universität Berlin.
Es ist offensichtlich, dass die Bedeutung von Deaf History in Deutschland weiter vorangetrieben werden muss, im Sinne des zivilgesellschaftlichen Engagements und einer Professionalisierung und Institutionalisierung dieser Arbeit.
Präsentation über "Deaf History: Entstehung, Theorie, Forschungen, Organisationen" beim Deaf Studies - Symposium am 17.11.2012 an der Humboldt-Universität Berlin: |
Deaf History - Welche Bedeutung hat die Geschichte der Gehörlosen? |
Vortrag von H. Vogel beim Kommunikationsforum in Essen am 11. Februar 2004 |
Artikel in der Deutschen Gehörlosen-Zeitung, Nr. 3, 2004 |
Bericht vom Veranstalter "Zeichen setzen", von Helga Ulbricht |